Ein Pferd, das sich auf gesunden Gliedmaßen in physiologischer Weise bewegen kann, ist eines der Hauptziele der Hufbearbeitung. Das Wissen über die Anatomie und Biomechanik ist hierfür eine wichtige Grundvoraussetzung. Die Stellung der Gliedmaße, der Bewegungsablauf und die Hufform sind voneinander abhängig, was besonders bei der Rehabilitation von krankhaften Veränderungen der Hufform zu bedenken ist. Wenn ein gesundheitliches Problem der Gliedmaße über eine längere Zeit bestanden hat, muss man wissen, dass die Hufe, Gelenke, Sehnen, Bänder und Muskulatur gemeinsam davon betroffen sind, was sich in der Gliedmaßenstellung und beim Laufverhalten bemerkbar macht.
Die Körperhaltung und die Gliedmaßenstellung des Pferdes sind neben der Hufform die ersten Eindrücke, die uns zeigen, wo die Problematiken und eventuelle Krankheitszustände zu suchen sind. Wenn die Gliedmaßen in Ordnung sind, steht das Pferd ohne Muskelanstrengung. Jede Abweichung von der physiologisch korrekten Form der Hufe führt zu einer unkorrekten Gliedmaßenstellung und einem unkorrekten Bewegungsablauf, was wiederrum bedeutet, dass das Pferd mehr Energie aufwenden muss. Eine unkorrekte Gliedmaße oder ein gestörter Bewegungsablauf ihrerseits führen zu einer unphyshiologischen Form des Hufes. Wenn die Gliedmaße in Balance ist, stimmt auch das Spannungsgleichgewicht zwischen dem Streck- und Beugesystem (Extensor- und Flexorsystem) und nur so ist eine entspannte Gliedmaßenmuskulatur möglich.
Ermöglichen die Hufe durch fehlerhafte Hufbearbeitung keine gleichmäßige und damit korrekte Gewichtsverteilung, kommt es zu unphysiologischen Zuständen im Körper, die mit Muskelanspannung ausgeglichen werden müssen.
Der Erfahrene Hufexperte erkennt diese Abweichungen des Pferdekörpers, die sich in der Haltung, dem Gesichtsausdruck, an übermäßig ausgeprägten Muskelpartien, stark angespannten Sehnen und dem veränderten Gangbild des Pferdes zeigen.
Von vielen wird die Meinung vertreten, dass die durch unphysiologische Belastungen entstandenen Gliedmaßen- und Hufformabweichungen nicht mehr korrigierbar sind. Dabei übersehen sie, dass es sich um herbeigeführte Abweichungen durch fehlerhaft angewandte und zum Teil dogmatische Hufbearbeitungstheorien handelt. Sie bringen damit ihr begrenztes Denken und Handeln zum Ausdruck.
Knochen, Gelenke, Muskel- und Bindegewebe - alle Zellen des Körpers befinden sich ständig in einem Erneuerungs- und Umbauprozess!! Solange ein Gewebe sich in eine negative Form verändern kann, solange kann es sich auch wieder in die richtige und positive Richtung formen. Je länger negative Belastungsverhältnisse einwirken und je länger die Problematik besteht, umso länger ist die Zeitspanne des Rehabilitationsprozesses. Wer den Huf richtig liest und die Zusammenhänge erkennt, der ist in der Lage, durch eine schonende Hufbearbeitung, die sich zu begründen weiß, den Wandel einzuleiten, der für eine Heilung wichtig ist.
Anatomie des Bewegungsapparates
Der Bewegungsapparat des Pferdes wird in drei Gruppen unterteilt
- der passive Bewegungsapparat (knöchernes Skelett und die verbindenden Gelenke)
- der aktive Bewegungsapparat (Skelettmuskulatur, Sehnen- und Bändersystem)
- das unterstützende System
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Der passive Bewegungsapparat umfasst alles Teile, die nicht selbst Bewegungen ausführen können, sondern bewegt werden.
- die Knochen, die eine stützende und stabilisierende Funktion haben
- die Gelenke, die die Bewegung der Knochenverbindungen erlauben
- die Knorpel, die als elastische Elemente zur Bewegung und Stoßdämpfung beitragen
Ihre Funktion besteht in der Stabilisierung, Stützung und der Zusammenhalt der Körperteile in einer bestimmten Relation. Das passive System ist so aufgebaut, dass beim erwachsenen Organismus keine Energie für die Funktion sondern nur für die eigene Zellerneuerung benötigt wird (passive Stehvorrichtung)
Der aktive Bewegungsapparat umfasst
- die Skelettmuskulatur und die Sehnen, in die sie auslaufen
- die Gelenkkapseln und Gelenkbänder
- Sehnenscheiden, Schleimbeutel, Faszien
Das aktive System bewirkt die Bewegung des passiven Systems. Es ist eine ständige Energiezufuhr für die eigene Zellproduktion sowie für die Gewebefunktion (Muskelkontraktion) erforderlich.
Das unterstützende System
Das passive und aktive System wird von diesen Gewebearten und – kombinationen unterstützt. Diese sind
- das Blutkreislaufsystem (zuständig für den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff sowie für den Abtransport der Abfallstoffe aus den Stoffwechselvorgängen)
- das Lymphsystem (die Lymphflüssigkeit transportiert Abwehrstoffe, es sorgt für eine gute Gleitfähigkeit der Gewebe aneinander vorbei)
- das Nervensystem (steuert die Bewegung)
- Epitheliases System (hüllt den Gesamtorganismus ein und kleidet Hohlräume im Organismus aus; schützt Gewebe vor mechanischen und anderen Einflüssen)
©Manu Volk
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